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Was Sie vielleicht nicht wissen, ist, wie die deutsche BITV 2.0 tatsächlich funktioniert. Sie basiert auf den internationalen WCAG-Richtlinien, die viele Entwickler und Teams bereits befolgen.
Sie sind miteinander verbunden. Aber nicht dasselbe.
Warum ist die BITV 2.0 also von besonderer Bedeutung? Was ist anders, was wird durchgesetzt, und wer genau muss sie einhalten?
In diesem Beitrag erfahren Sie, wie sich die BITV 2.0 von den WCAG unterscheidet und was Ihr Unternehmen tun muss, um die Richtlinien einzuhalten!
Was ist die BITV 2.0? Das deutsche Barrierefreiheitsgesetz
BITV 2.0 ist Deutschlands offizielle Verordnung zur digitalen Barrierefreiheit, kurz für Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung. Sie erklärt, wie Websites, Apps und digitale Dokumente gestaltet sein müssen – für alle Menschen, einschließlich Menschen mit Behinderungen.
Die Grundlage von BITV 2.0 ist WCAG 2.1 Level AA. Das bedeutet, dass die meisten technischen Anforderungen bereits durch die internationalen Richtlinien definiert sind. Aber BITV 2.0 ergänzt spezifische Regeln, die dem deutschen Rechtssystem entsprechen.
Die rechtliche Grundlage bildet das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), das öffentliche Stellen zur Einhaltung verpflichtet. Dazu gehören Ministerien, Stadtverwaltungen, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen.
Und auch wenn private Unternehmen bisher nicht vollständig erfasst sind, ändert sich das. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz brachte 2025 neue Vorschriften, insbesondere für Branchen wie Banken, E-Commerce und den Verkehr.
Was ist WCAG?
WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) ist der internationale Standard dafür, wie Websites und digitale Dienste so gestaltet werden, dass sie für alle Menschen nutzbar sind – insbesondere für Menschen mit Behinderungen.
Entwickelt vom World Wide Web Consortium (W3C) bildet WCAG die Grundlage für digitale Barrierefreiheit weltweit.
WCAG wurde erstmals 1999 veröffentlicht, aber die aktuell wichtigsten und am häufigsten genutzten Versionen sind 2.0 und 2.1. Die Richtlinien basieren auf vier einfachen und praxisnahen Prinzipien, den sogenannten „POUR“-Prinzipien:
- Wahrnehmbar (Perceivable) – Inhalte müssen gesehen oder gehört werden können, auch wenn Nutzer innen nicht beides können.
- Bedienbar (Operable) – Nutzer innen müssen mit Maus, Tastatur oder unterstützenden Technologien navigieren und interagieren können.
- Verständlich (Understandable) – Informationen und Benutzeroberflächen müssen klar lesbar und vorhersehbar sein.
- Robust (Robust) – Inhalte sollen auf verschiedenen Geräten, Browsern und Assistenzsystemen funktionieren.
WCAG beschreibt die Barrierefreiheit in drei Stufen:
- Level A – die absoluten Mindestanforderungen, auf ausgewählte Kriterien beschränkt.
- Level AA – der Standard, auf den sich die meisten Gesetze, z. B. in Deutschland, beziehen.
- Level AAA – das höchste Niveau, aber nicht für jede Website realistisch umsetzbar.
Um den gesetzlichen Anforderungen in Deutschland zu entsprechen, ist Level AA das realistische Ziel – ein Kompromiss zwischen Inklusion und praktischer Umsetzbarkeit.
BITV 2.0 vs. WCAG: Vergleich auf einen Blick
Es ist wichtig zu wissen, dass WCAG einen globalen Standard für digitale Barrierefreiheit setzt. BITV 2.0 greift diese Grundsätze auf und formuliert daraus konkrete Vorgaben für Deutschland.
BITV 2.0 integriert die internationalen Vorgaben von WCAG Level AA als grundlegende Anforderungen. Gleichzeitig enthält BITV 2.0 deutschlandspezifische Elemente, um Verantwortung und Schutz für Nutzer*innen zu stärken.
Aspekt | WCAG 2.1 Level AA | BITV 2.0 |
Herkunft | Entwickelt vom W3C (internationaler Standard) | Deutsche Verordnung gemäß dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) |
Rechtlicher Status | Häufig gesetzlich referenziert, aber kein eigenes Gesetz | Gesetzlich verbindlich in Deutschland für öffentliche Stellen |
Struktur | 4 Prinzipien (POUR), 13 Richtlinien, Erfolgskriterien | Basierend auf WCAG, aber nach Priorität I (verpflichtend) und II (empfohlen) gegliedert |
Konformitätsstufen | A, AA, AAA (AA meist gefordert) | WCAG 2.1 Level AA als gesetzliches Minimum |
Barrierefreiheitserklärung | Von WCAG nicht verlangt | Verpflichtend für Websites und Apps öffentlicher Stellen |
Feedbackmechanismus | Kein fester Bestandteil von WCAG | Erforderlich gemäß BITV 2.0 und EU-Richtlinie 2016/2102 |
Einfache / Leichte Sprache | Nicht explizit gefordert | Stark empfohlen, insbesondere Leichte Sprache für kognitive Zugänglichkeit |
Anwendungsbereich | Allgemeine Best Practice weltweit | Websites öffentlicher Stellen; private Unternehmen ab 2025 stärker in der Pflicht |
So wird die Barrierefreiheit geprüft
In Deutschland wird die Barrierefreiheit überwacht, getestet und dokumentiert.
Mehrere Überwachungsstellen auf Bundes- und Landesebene sind dafür zuständig, digitale Angebote des öffentlichen Sektors zu bewerten. Diese Prüfungen basieren auf den Vorgaben der EU, insbesondere auf der Richtlinie (EU) 2016/2102, die regelmäßige Berichte zur Barrierefreiheit vorschreibt.
Websites und Apps werden überprüft durch:
- Automatisierte Tools, um technische Probleme zu erkennen
- Manuelle Tests, um Nutzbarkeit und Navigationshindernisse zu identifizieren
- Nutzertests, häufig unter Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen
Diese Prüfungen bewerten, wie gut ein digitales Angebot den WCAG 2.1 Level AA erfüllt, wie es BITV 2.0 vorschreibt.
Was passiert bei Nicht-Einhaltung?
Wenn Ihre Website oder App die Anforderungen nicht erfüllt, sind folgende Konsequenzen möglich:
- Nutzer-Feedback: Jede Person kann über den Feedbackmechanismus eine Beschwerde einreichen – und die Organisation muss darauf reagieren.
- Rechtliche Schritte: Wenn Probleme nicht behoben werden, kann der Fall an eine Schlichtungsstelle oder Aufsichtsbehörde weitergeleitet werden.
- Öffentliche Darstellung: Die Barrierefreiheitserklärung muss öffentlich zugänglich und aktuell sein. Fehlende Barrierefreiheit ist somit für alle – auch für Kontrollstellen – sichtbar.
Image-Schaden: Für öffentliche Stellen signalisiert Inbarrierefreiheit, dass bestimmte Bürger innen keine Rolle spielen. Für Unternehmen schadet es der Vertrauenswürdigkeit und Markenreputation.
Praktische Schritte zur Einhaltung der Richtlinien
Die Einhaltung von BITV 2.0 und WCAG 2.1 Level AA lässt sich durch die richtigen Maßnahmen erreichen:
1. Barrierefreiheitsprüfung durchführen
Nutzen Sie automatisierte Tools, um Ihre Website oder App zu überprüfen – und ergänzen Sie das durch manuelle Tests. Beziehen Sie echte Nutzer innen ein, insbesondere Menschen mit Behinderungen, um echte Barrieren zu identifizieren.
2. Kritische Barrieren beheben
Beheben Sie zuerst grundlegende Probleme wie:
- Fehlende Alt-Texte
- Schlechte Farbkontraste
- Tastaturfallen
- Defekte Navigation
Wenn Nutzer innen kritische Inhalte oder Funktionen nicht erreichen können, ist alles andere zweitrangig.
3. Barrierefreiheitserklärung veröffentlichen
Erforderlich laut BITV 2.0. Seien Sie transparent über Ihren Stand der Barrierefreiheit, bekannte Barrieren und Kontaktmöglichkeiten. Halten Sie diese Erklärung aktuell.
4. Nutzerfeedback ermöglichen
Stellen Sie eine einfache Möglichkeit bereit, mit der Nutzer innen Barrieren melden und Feedback geben können. Tun Sie das nicht, kann fehlende Konformität mit BITV 2.0 ernsthafte rechtliche Konsequenzen haben.
5. Barrierefreiheit in den Workflow integrieren
Schulen Sie Ihr Team. Verankern Sie Barrierefreiheit fest in Ihren Prozessen für Design, Entwicklung und Content-Erstellung.
Fazit
BITV 2.0 und WCAG 2.1 verfolgen ein gemeinsames Ziel: Digitale Angebote für alle Menschen zugänglich zu machen.
Aber dabei geht es nicht nur um das Abhaken einer rechtlichen Checkliste. Es geht darum, digitale Systeme zu schaffen, die alle Menschen einbeziehen und respektieren – unabhängig von ihren Fähigkeiten.
Wenn Sie verstehen, wie BITV auf WCAG aufbaut, können Sie sicherstellen, dass Ihre Umsetzung über das gesetzliche Minimum hinausgeht. Ziel ist es, digitale Umgebungen zu schaffen, die funktional, inklusiv und zukunftsfähig sind.
Barrierefreiheit ist keine Zusatzaufgabe. Sie ist einfach gute Arbeit.
Fangen Sie mit einem Zugänglichkeits-Audit an. Lernen Sie mehr über BITV 2.0 und Ihre Verantwortung, und beziehen Sie Ihr Team mit ein. Wenn Sie nicht wissen, wo Sie anfangen sollen – NITSAN steht Ihnen gerne beratend zur Seite.
Für weitere praktische Tipps und Einblicke rund um digitale Barrierefreiheit und gesetzliche Anforderungen, besuchen Sie unseren Blog: Accessible Website With TYPO3!

Ansprechpartner für KMU, Staatl. Organisationen und BITV 2.0
Stefan Reinhardt
Servicepartner - Deutschland
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